Die Auslegung des Reese-Newton
Hier folgen, am Beispiel „unseres“
Newtons, die Kriterien für die Entscheidungsfindung und Berechnung eines
Selbstbau-Newtons.
Getauft ist er natürlich auch: Chili
heißt er, und das liegt nicht an der Farbe einer überreifen Chili, und auch
nicht daran, dass das ein rattenscharfes Gerät ist, sondern das ist ganz profan
die Abkürzung für Chinesischer Lichtsammler, nach dem Herzstück
des Ganzen.
Die Entscheidung für die Größe des
Primärspiegels nehmen wir hier als schon gefallen an (Beispiel: 10“ = 254mm).
Dies ist der Ausgangspunkt für die weiteren Überlegungen.
Zunächst muss der passende Innen-
und Außendurchmesser des Tubus gefunden werden. Kriterien für die Festlegung
dieser Größe sind:
a) Vignettierung
des Gesichtsfeldes durch den Tubus
b) Abstand
der Brennebene von der optischen Achse
c) Passender
Außendurchmesser für Rohrschellen
d) Passender
Innendurchmesser für Fang- und Hauptspiegelhalter
e) Genügend
„Luft“, damit Luftunruhe am Tubusrand nicht die Abbildungsqualität
verschlechtert.
f)
Sowie für die Wandstärke eine ausreichende Steifigkeit des
Tubus.
g) Handlichkeit,
Windanfälligkeit, Gewicht.
Für die Antwort auf a) kann man
entweder das sehr zu empfehlende Tool „MyNewton“ ( Downloadseite
"MyNewton" ) benutzen, das wir später sowieso brauchen, oder
einfach erst einmal von rund 35mm Addition zum Spiegeldurchmesser ausgehen. Die
Vignettierung ist nicht sehr kritisch, es gibt hierdurch bei Übersichtsokularen
eine geringe Abnahme der Helligkeit zum Rand hin (s.u.). Die durch die
Fangspiegeldimensionierung bedingte Vignettierung ist in der Regel höher
(allerdings additiv).
Bei b) möchte man einen möglichst
kleinen Abstand haben, damit der Fangspiegel und damit die Obstruktion klein
bleiben können. Jeder mm mehr bedeutet (bei F/5) rund 0,2mm Größenzuwachs beim
Fangspiegel. Folgt also: Tubus möglichst klein.
c) ist ein pekuniärer Aspekt. Maßanfertigungen
für Rohrschellen sind ungleich teurer als Standard-Größen. Ca. 286 wie auch
303mm sind standardmäßig erhältlich, jedenfalls bei uns.
d) Fang- und Hauptspiegelhalter
werden im Idealfall angepasst gefertigt, dann ist es hier egal. Als Standardteil
ist der notwendige Durchmesser jedoch zunächst in Erfahrung zu bringen.
Der Punkt e) ist Gegenstand
kontroverser Diskussionen. 25mm radial, also 50mm im Durchmesser sollte schon
Luft sein, damit Verwirbelungen am Tubus nicht in den Lichtkegel gelangen – ist
die Meinung vieler Leute.
f) hängt vom verwendeten Material
ab. 4 bis 5mm müssen es bei dieser Größe im Beispiel Hartpapier sein.
g) spricht natürlich für möglichst
klein.
In unserem Fall wurde so entschieden:
a) ist nicht sehr kritisch und kann etwas unterschritten werden, b) und g) sind
uns wichtig, c) gibt das genaue Maß vor, d) wird angepasst, e) wurde ignoriert
(ein Lüfter soll aber für ruhige Luftströmung sorgen) und mit f) landen wir bei
282mm innen und 290mm außen (mit etwas „Überredung“ bzw. leichter Modifikation
der Rohrschellen). „Ihr“ Ergebnis kann ebenso gut 303mm lauten, oder eben doch
auf eine Maßanfertigung der Rohrschellen hinauslaufen.
Die Tubuslänge ist weniger
bedeutend, Daumenregel ist Länge gleich Brennweite. Wir haben rund 5cm
draufgelegt, um schon einen leichten Taukappeneffekt für den Fangspiegel zu
erzielen.
Nun kommt die Berechnung der
Fangspiegelgröße. Auch hier gibt es nicht die eine „richtige“ Größe, sondern
verschiedene Faktoren, die zu berücksichtigen sind.
Zunächst fragen wir uns nach der
Verwendung des Teleskopes. Wird es rein visuell benutzt oder eher zur
Fotografie? Dies entscheidet wesentlich über das zu 100% ausgeleuchtete Feld in
der Brennebene. Rein visuell sind etwa 8mm durchaus ausreichend, als Kompromiss
zwischen visueller und fotografischer Nutzung sind 12mm in Ordnung, und
vorwiegend fotografisch dürfen es auch schon 16 bis 20mm sein. Je kleiner
dieses Feld, um so kleiner fällt der Fangspiegel aus, um so geringer die
Obstruktion und damit um so höher die Kontrastleistung des Gerätes – das ist
entscheidend für die visuelle Beobachtung. Je größer das Feld, um so geringer
die Vignettierung – das wiederum ist wichtig für Fotografie. Dieses als
Grundvoraussetzung für die weiteren Überlegungen.
Je näher man nun mit der
Brennebene an den Fangspiegel geht, um so kleiner kann dieser ausfallen. Der
Tubusradius liegt fest, dazu kommt der Abstand der Oberkante des Okularauszuges
vom Tubus im eingefahrenen Zustand, plus einen Abstand für das Zubehör (eine
Spiegelreflexkamera kann ich beispielsweise nur in den Fokus bekommen, wenn die
Brennebene rund 55mm hinter dem Okularauszug sitzt, denn da ist der Film bzw.
der Chip). Die entsprechenden Werte in MyNewton eingeben und dann etwas spielen
(Vorsicht, MyNewton rechnet automatisch den halben Verfahrweg des Auszuges
dazu!). In unserem Fall lief die Entscheidung auf 65mm kleine Achse hinaus,
entsprechend etwa 12mm voll ausgeleuchtetem Feld. Das Feld größer bzw. den
Fangspiegel kleiner bekäme man noch durch einen kurz bauenden Okularauszug,
z.B. den Heli-FOK von Gerd Neumann.
Tja, nun muss man nur noch beim
Bohren der Löcher in den Tubus die richtigen Positionen festlegen und dann sollte
es sich schon ausgehen. In gewissem Rahmen kann man seine Ungeschicklichkeit
kaschieren, wenn die gewählte Hauptspiegelzelle einen ordentlichen Verfahrweg
zulässt. Nicht schlecht ist auch die vorhergehende Bestimmung der tatsächlichen
Brennweite des Parabolspiegels: Eine kleine Lichtquelle nehmen, daneben ein
kleines Stück Papier (Projektionsfläche), sich etwa auf der optischen Achse in
ungefähr der doppelten Brennweite vom Parabolspiegel aufbauen und etwas vor und
zurück gehen. Wird die Abbildung der Lichtquelle auf dem Papier scharf, dann
befindet man sich genau in der doppelten Brennweitenentfernung vom Spiegel. Die
Herstellerangaben sind üblicherweise nur auf etwa 1% genau!
Wer solchen Programmen wie
MyNewton prinzipiell misstraut bzw. lieber selbst verstehen möchte, was da
berechnet wird, dem seien folgende Überlegungen und Näherungsformeln empfohlen.
Die Fangspiegelgröße wird
dadurch bestimmt, dass das parallel einfallende Lichtbündel über den
Parabolspiegel gebündelt wird. Je näher der Fangspiegel dem Brennpunkt liegt,
um so kleiner kann er ausfallen. Näherung:
Dkleine Achse = Abstand
Brennebene zur optischen Achse/Öffnungsverhältnis + Bildfeld
Beispiel: Öffnungsverhältnis 5
(Brennweite = Öffnung x 5), Abstand = 270mm, gewünschtes Bildfeld (s.o.) =
10mm.
Der Abstand zur optischen Achse
setzt sich so zusammen:
halber Außendurchmesser Tubus +
minimale Höhe Okularauszug + Fokussierbedarf
Hier wäre also ein Fangspiegel mit
64mm kleiner Achse notwendig.
Auch den Fangspiegelversatz
kann man selbst abschätzen.
Er folgt ja daraus, dass das
Strahlenbündel auf der dem Hauptspiegel zugewandten Seite noch nicht so weit
fokussiert ist wie auf der entfernten Seite. Der Fangspiegel wird daher ein
wenig „nach hinten“ (vom Okularauszug gesehen) verschoben.
Die Näherung ist:
Versatz= Durchmesser kleine
Achse/(4 x Öffnungsverhältnis)
Bei unserem F/5 Gerät mit 64mm
Fangspiegel also 3,2mm.
Zu verstehen ist das so: Das Strahlenbündel
ist auf der Hauptspiegelseite 64mm/5 im Durchmesser größer als auf der
entfernten Seite, radial also 6,4mm. Damit beide Seiten gleich behandelt
werden, muss der Spiegel also 3,2mm verschoben werden.
Beide Näherungen stimmen recht
gut.
Die Strahlen fallen parallel aus
dem Unendlichen ein. Ab einem gewissen Einfallswinkel wird der Rand des Tubus
einen Schatten auf den Hauptspiegel werfen. Dieser Winkel ergibt sich aus dem
Abstand der Tubusvorderkante zum Hauptspiegel (L) und dem radialen Abstand
Tubusinnenseite – Spiegel (R).
Der Grenzwinkel ist
AlphaGrenz =
arctan(R/L)
Also z.B. für L=125cm, R=1,4cm ein
Grenzwinkel von 0,64°. Damit ist das vignettierungsfrei sichtbare Feld 1,28°,
denn die 0,64° gelten zu beiden Seiten hin. Bei größeren Feldern nimmt die
Helligkeit nach außen leicht ab, da ein kleiner Teil des Hauptspiegels nun „im
Schatten“ liegt. In diesem Fall werden beim doppelten Winkel (den man schon
kaum noch erreichen kann) rund 3% der Fläche des Hauptspiegels abgeschattet,
der Effekt ist also recht klein.